Höfische Feste und Sprechende Steine
Der Markgräfliche Schlosspark Fantaisie bei Bayreuth
Rudolf Höcker
Abschlussarbeit zur Qualifizierungsmaßnahme Gästeführer – Gartenerlebnis Bayern 2014 der Bayerischen Gartenakademie an der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau, Veitshöchheim
Höfische Feste und Sprechende Steine
Der Markgräfliche Schlosspark Fantaisie bei Bayreuth
Rudolf Höcker
Abschlussarbeit zur Qualifizierungsmaßnahme Gästeführer – Gartenerlebnis Bayern 2014 der Bayerischen Gartenakademie an der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau, Veitshöchheim
Eckental, Mai 2014
Einführung vor der Südseite des Schlosses (Station 1)
Der Garten auf dem Plateau: Der Nordgarten (Station2)
Der Garten auf dem Plateau: Der Seitengarten (Station 3)
Barocke Kaskade mit Neptunbrunnen (Station 4)
Die östliche Partie, botanisch wertvoller Teil des Parks (Station 6)
Höfisches Fest auf der Talwiese (Station 7)
Rhätschluchten, Beispiele aktueller Landschaftsdynamik (Station 8)
Zusammenfassung und Verabschiedung (Station 9)
Höfische Feste und Sprechende Steine
Der Markgräfliche Schlosspark Fantaisie bei Bayreuth
„Heb’ alles auf, bis wir im warmen Schoß Abrahams sitzen, in der Eremitage, welche nach Fantaisie der zweite Himmel um Baireut ist, denn Fantaisie ist der erste und die ganze Gegend der dritte.“
(Jean Paul, Lobeshymne auf die Fantaisie im Roman Siebenkäs)
Nach der Lage im Gelände gliedert sich der Park in zwei Teile. Zum einen in das obere flache Plateau mit dem Nord- und Seitengarten („Garten auf dem Plateau“) und zum anderen in den stark abfallenden, etwa fünf Mal größeren, anschließenden Bereich („Garten am Hang“). Beide Gartenteile werden getrennt durch die an der Hangkante entlangführende Lindenallee, die ursprünglich Hauptzufahrt zum Schloss war.
Weiterhin zeichnet sich die Anlage durch ein Nebeneinander verschiedener Strömungen der Gartenkunst aus.
Der älteste Bereich ist der Garten auf dem Plateau, der ab 1760 im Stil eines regelmäßig und geometrisch strukturierten, spätbarocken Gartens angelegt wurde. Eigentlich neigte sich diese Gartenstilphase zu dieser Zeit im Rokoko (Spätbarock) bereits ihrem Ende zu und wurde anderen Ortes durch den völlig konträren Stil des englischen Landschaftsgartens ersetzt. Wir haben es hier also mit einer der letzten größeren Anlagen einer zu Ende gehenden Epoche zu tun.
Die Anlage des Schlossparks erfolgte noch durch Markgraf Friedrich von Bayreuth-Brandenburg, der bereits vorher zusammen mit seiner Frau Wilhelmine, Schwester des Preußenkönigs Friedrich II., die herausragenden Gartenanlagen Eremitage und Sanspareil bei Bayreuth geschaffen hatte. Deshalb ist es berechtigt, von einem Markgräflichen Schlosspark zu sprechen, auch wenn dieser nachfolgend stark durch andere Gartenstile überprägt und ergänzt wurde.
Nach dem Tod des Bayreuther Markgrafen wurde die Gartenanlage an dessen Tochter Friederike Sophie übertragen. Diese wohnte hier nach einer gescheiterten Ehe mit dem Herzog von Württemberg, baute die Anlage weiter aus und schuf sich hier einen Garten nach ihren eigenen Wünschen und Vorstellungen und nannte ihn Fantaisie.
Nach dem Tod der Bayreuther Markgrafentochter Friederike Sophie 1780 gelangte die Anlage durch Kauf in den Besitz ihrer Schwägerin, der Herzogin von Württemberg. Sie begann bald mit der behutsamen Erweiterung des Parks hin zu einem sentimentalen, englischen Landschaftsgarten. Dabei wurde gezielt die Hanglage des Geländes, das steil abfallend am Rand einer so genannten Rhätschlucht (dazu später mehr) liegt, genutzt und die zahlreichen vorhandenen Felsformationen geschickt mit in die Gestaltung eingebunden („Garten am Hang“).
Eine weitere Blütezeit erlebte der Park in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, als hauptsächlich Teile des ehemaligen Rokokogartens auf dem Plateau im an sich pluralistischen Stil des Historismus umgestaltet wurden.
Aus heutiger Sicht ist die Anlage nicht nur deswegen bedeutsam, weil sich hier drei verschiedene Gartenkunststile nebeneinander betrachten und vergleichen lassen. Auch die teils ausländischen Gehölze des Parks sind wertvoll und stammen im Einzelfall noch aus der Anfangszeit der Anlage. Neben den Gehölzen sind pflanzliche Kulturrelikte auffallend, die ehemals gepflanzt, sodann verwildert und nun durch ihr Beharrungsvermögen im Park lokal eingebürgert sind. Aus Sicht des Naturschutzes macht die hohe Phytodiversität einheimischer Pflanzen, wie Orchideenpopulationen und etlichen Arten der Roten Liste mit zum Teil hohem Gefährdungspotential die herausragende Bedeutung des Parks aus. Deshalb stehen auch Teile des Parks unter Naturschutz.
Exkurs 1
Garten und Park
Die Begriffe Garten und Park werden in der europäischen Gartenkunst, die ja zugleich auch Parkkunst ist, häufig synonym verwendet. Dennoch spricht man beispielsweise von Barockgärten, aber von Landschaftsparks. Ein Park ist eher eine gestaltete Grünfläche im natürlichen Stil und verfügt über eine ansehnliche Größe. Für geometrische Anlagen wird häufiger der Begriff Garten verwendet. Beide sind gemäß den jeweils geltenden Regeln der Gartenkunst gestaltet. In dieser Arbeit werden die Begriffe austauschbar verwendet.
In der ursprünglichen Konzeption war der Nordgarten allseits durch Mauern und Hecken von seiner Umgebung separiert und kann als so genannter „giardino segreto“ der Markgrafentochter bezeichnet werden. Übersetzt bedeutet das „geheimer Garten“. Er hat ausschließlich privaten Charakter, konnte eigentlich noch dem Schloss selbst zugerechnet werden und war meist auch nur von diesem zugänglich. Er diente der Lustbarkeit der höfischen Gesellschaft. Hier standen auch die Zitrus-, Orangen-, Feigen-, und Pfirsichbäumchen, die alljährlich zur Überwinterung in die Stadt Bayreuth geschafft werden mussten.
Solche „giardini segreti“ waren regelmäßige Bestandteile italienischer Renaissancegärten und deuten die konservative Gartengestaltung des Bayreuther Hofes zu dieser Zeit an. Zum Stil des Landschaftsgartens fand man in Bayreuth zu dieser Zeit nur in Ansätzen Zugang.
Der Nordgarten in seiner heutigen Ausgestaltung ist eine Rekonstruktion nach Vorlagen aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, wie ihn der damalige Besitzer Herzog Alexander von Württemberg als prächtigen Ziergarten mit zeittypischer Bepflanzung auf Teppich- und Fächerbeeten, sowie auf Beeten in Sternform im Stil des Historismus anlegen ließ.
Bunt und ornamental sind die Wechselbepflanzungen dieser Beete. Die Frühjahrsbepflanzung wird durch verschiedenfarbige Bellis perennis-Kulturformen (Gänseblümchen) und Stiefmütterchen (Viola wittrockiana) dominiert.
Semperflorens-Begonien (Begonia x semperflorens cultorum) und Steinbrech in Sorten (Saxifraga spec.) bilden das Gerüst für die Sommerbepflanzung.
Die Dauerbepflanzung der Beete am Schloss enthalten als Gerüst verschiedenfarbige Azaleen (Rhododendron spec.). Die Unterpflanzung ist flächig mit dem Rundblättrigen Steinbrech (Saxifraga rotundifolia) ausgeführt.
Der Seitengarten ist derjenige Bereich, der am ehesten den spätbarocken Gartenstil repräsentiert und entsprechend rekonstruiert wurde.
Unverzichtbarer Bestandteil einer barocken und auch spätbarocken Gartenanlage war ein Parterre, das sich immer in unmittelbarer Schlossnähe befand. Im Allgemeinen war dieses Parterre während des Hochbarock zentral dem Schloss vorgelagert und vermittelte zwischen Gebäude und dem eigentlichen Garten. Während des Rokokos lösten sich die strengen Vorgaben etwas auf, so dass das Parterre eine zum Schloss seitliche Lage einnehmen konnte, wie es im Schlosspark Fantaisie der Fall ist. Der Eintritt erfolgte hier durch den Seiteneingang des Schlosses. Es war vermutlich mit Teppichbroderien (verschlungene Stickmuster) ornamental gestaltet.
Während des Hochbarock waren nicht nur das Parterre, sondern auch nahezu alle anderen Gartenquartiere (Gartenkompartimente) streng achsensymmetrisch auf den zentralen Schlossbereich und damit auch auf den Feudalherrn hin ausgerichtet und sollten dadurch zusätzlich seine (absolute) Machtposition unterstreichen und verstärken.
Erst durch die streng hierarchische Ausrichtung der einzelnen Gartenteile auf das Gebäude des Feudalherrn wurden die barocken Anlagen in einen geistigen und formalen Zusammenhang gebracht und dienten nur dem Zweck der Vergrößerung der Stellung des Feudalherrn.
Im Rokoko änderten sich die Vorstellungen. Die einzelnen Gartenbereiche der Fantaisie waren nicht mehr zentriert und achsensymmetrisch ausgerichtet. Sie zeichneten sich zwar durch rationale Organisation, aber auch durch geometrisch-additives Nebeneinander aus. Auch hier mag man wieder Bezüge zu (italienischen) Renaissancegärten erkennen.
An das ehemalige Parterre, das heute Park ähnlich gestaltet ist, schließt sich ein Boskett (ursprünglich Wäldchen) an. Dieses rekonstruierte, quadratische Heckenlabyrinth hatte in seinem Zentrum einen kleinen Grasplatz. Heute befindet sich hier ein Brunnen. Zwölf Wege führen zu diesem Zentrum. In den Winkeln waren damals und sind heute wieder Birken aufgepflanzt. Man empfand das durch die Bewegung der Kronen entstehende Spiel von Licht und Schatten als reizvoll.
Östlich an das Boskett schließt sich als Bestandteil nahezu aller barocken und spätbarocken Gartenanlagen ein Nutz- und Küchengarten an. Er besteht heute aus einer Sammlung von Obstbäumen (Apfel, Birne, Süß- und Sauerkirschen, Pflaumen und Zwetschgen) in Sorten, die vor 1880 entstanden sind.
Bemerkenswerte Bestandteile des Gartens auf dem Plateau sind einige Gehölze. Die mächtige Douglasie (Pseudotsuga menziesii, BHD: 140 cm) am Rand des ehemaligen Parterres stammt ebenso wie die zwei benachbarten Lärchen (Larix decidua, BHD: 160 bzw. 180 cm)) noch aus der Anfangszeit der Anlage, ist bereits auf Stichen des späten 18. Jahrhunderts abgebildet und ebenso in einer literarischen Beschreibung des Parks enthalten („Eine Partie des Gärtchens hat über seinem Blumenboden (Parterre, d. Verf.) den milden, unschädlichen Schatten der amerikanischen Fichte (Douglasie, d. Verf.) (und) des Lerchenbaums“ [Johann Gottfried Kessel 1788 in: Toussaint, 1998]).
Beachtenswert ist der Urweltmammutbaum (Metasequoia glybtostroboides), der ursprünglich nur durch Fossilienfunde aus der Kreidezeit bekannt war. Erst in den 1940er Jahren fand man die Art lebend in einer abgelegenen Bergregion Chinas. Heute wird er in aller Welt in Parks und dendrologischen Sammlungen gepflanzt und gilt als lebendes Fossil.
Exkurs 2
Paradies – Garten
Der Garten aller Gärten ist das Paradies. Im alten Testament heißt es: „Und Gott der Herr pflanzte einen Garten in Eden und setzte den Menschen hinein, den er gemacht hatte“ Das Paradies auf Erden ist ein Ort, den es zu finden galt und der einem dann Unsterblichkeit versprach (Gilgamesch Epos).
Garten und Paradies haben die gleichen sprachlichen Wurzeln. pairi-dae’za bedeutet umzäunter Park oder abgesteckter Bereich, ebenso spätbabylonisch: paradisu, hebräisch pardes und griechisch paradeisos.
Der indogermanische Begriff ghordho, von dem Garten abgeleitet ist, bedeutet sowohl Hof als auch Gehege. Hortus steht im gleichen etymologischen Zusammenhang.
Die Schirm-Magnolie (Magnolia tripetala) ist ein ausländisches Gehölz, das recht selten gepflanzt wird und stammt aus dem östlichen Nordamerika. Die riesigen, über 50 cm langen Blätter halten Regen gut ab. Die Krone des Baumes gibt dann tatsächlich einen guten Schirm ab.
Die barocke Kaskade mit Neptunbrunnen vermittelt zwischen Plateau- und Hanggarten. Sie entstand in den Jahren 1769 – 1776 unter der Regie der Markgrafentochter Friederike Sophie. Ihr ursprünglicher Beginn lag nördlich der Allee noch im Garten auf dem Plateau und sie endet Hang abwärts bereits im Garten am Hang. Heute liegt ihr Anfang südlich der Lindenallee, welche die beiden Gartenteile trennt. Sie ergießt sich in zwei Strömen über große Muschelschalen in je zwei Becken, verschwindet und erscheint unter einem Altan (unterbauter Balkon) in einem Muschelbassin wieder. Am Fuß der Kaskade liegt der Neptunbrunnen. Seine Skulpturen wurden ursprünglich für den Bayreuther Hofgarten geschaffen, wo sie jedoch keine Verwendung fanden. Friederike Sophie wählte die schönsten Stücke aus und ließ sie um 1770 als Brunnenfiguren im Park aufstellen.
Bei der letzten grundlegenden Umgestaltung der Gartenanlage wurde die Kaskade ca. 1850 mit Erde überdeckt, weil der damalige sitzer Herzog Alexander von Württemberg zwar den Park neugestaltete aber den Kaskaden keinerlei Bedeutung beimaß. 2001 wurden die zufällig wieder aufgefundenen Reste freigelegt und die verloren gegangenen Teile neu angefertigt. Die beidseitigen Wege wurden mit historischem Steinmaterial gepflastert. 2004 war die Anlage weitgehend fertig gestellt. Die Kosten hierfür betrugen ca. 1,4 Millionen Euro.
Im Umgriff der Kaskade ist auf zwei verwilderte Gewächse hinzuweisen, die, ehemals kultiviert, als Kulturrelikte möglicherweise aus der frühen Phase des Parks stammen und bis heute überdauert haben.
Großen Zierwert durch seinen flächenhaften Wuchs hat ohne Zweifel der Großblättrige Milchlattich (Cicerbita macrophylla). Diese hochwüchsige, Milchsaft führende Staude (Name!) aus der Familie der Korbblütler stammt aus dem Kaukasus.
Die Französische Erdkastanie (Conopodium majus) aus der Familie der Doldenblütler hingegen wurde entweder mit Pflanzmaterial aus ihrer Heimat Westeuropa eingeschleppt oder als Gemüse kultiviert, denn ihre Knollen sind schmackhaft. Als Gemüsepflanze ist sie heute in Vergessenheit geraten. Der Garten am Hang, Sprechende Steine und Staffagebauten (Station 5)
Jetzt verlassen wir den geometrisch gestalteten Gartenbereich des Rokokos und erkunden den Bereich des englischen Landschaftsgartens. Der „Garten am Hang“ entstand zu einer späteren Zeit. Ab 1793 wurde der verfallende Schlosspark von der jetzigen Besitzerin, der Herzogin von Württemberg, wieder Instand gesetzt. Die Umbauten waren von großem Respekt gegenüber der verstorbenen Bayreuther Markgrafentochter Friederike Sophie geprägt. Deren Rokokogarten auf dem Plateau blieb erhalten. Der größere bislang wenig gestaltete Hangbereich wurde im Stil des sentimentalen, englischen Landschaftsgartens eingerichtet. Dabei nutzte man geschickt die sich an den geometrischen Garten anschließende Hanglage mit den freiliegenden großen Sandsteinblöcken für zahlreiche Staffagebauten, wie die heute noch erhaltenen Friedenssäule und Katakombe, aus. Jedoch konnten aufgrund der topografischen Lage und des steilen, dicht bewaldeten Abhanges die typischen Vorgaben für einen Landschaftsgarten, wie modellierte, idealisierte Landschaft mit offenen Wiesen und Wasserflächen nicht erfüllt werden Die Betonung räumlicher Weite war hier nicht durchführbar. Die Verbindung einzelner Gartenszenen durch Sichtachsen unterblieb weitgehend, ebenso ihre Anordnung als malerisch komponierte Bilder. So wird man in der Fantaisie gezwungen die einzelnen Gartenszenen und Staffagen zu erlaufen. Blickachsen und Sichtbeziehungen fehlen weitgehend. Die gegenüberliegende Hangseite gehörte nie zum Park, wurde aber als Kulisse und Sichtbegrenzung mit einbezogen und entsprach damit einer weiteren Vorgabe eines englischen Landschaftsgartens, nach dem dieser stufenlos in die umgebende Landschaft übergehen sollte.
Die Bepflanzung des Landschaftsgartens erfolgte punktuell mit seltenen, meist nordamerikanischen Gehölzen, die aber heute nicht mehr erhalten sind. Auch die Anlage der Weinterrassen in Schlossnähe entstand zu dieser Zeit.
Vermutlich war es ursprünglich die Idee der Herzogin von Württemberg, die freiliegenden, markanten Felsen des Parks mit Inschriften zu versehen. Konzentriert sind diese „Sprechenden Steine“, für die die Fantaisie gerühmt wird, entlang der nach Südosten verlaufenden Lindenallee zu finden. Während der nächsten 100 Jahre wurden immer wieder Inschriften in die Felsblöcke gemeißelt. Sie erzählen von privaten Begebenheiten, wie an der Friedenssäule, die folgende Inschrift der Herzogin von Württemberg trägt: „In diesem reizenden Aufenthalt umarmte ich zum ersten Mal meine gute Schwester, den 4. Juli 1794“. Sie berichten aber auch von militärischen Ereignissen, denn einige Württemberger Herzöge standen während der napoleonischen Kriege auf kaiserlich-russischer Seite. An sie erinnert z. B. der Borodinostein: "Den Manen (gute Sterbegeister, d. Verf.)) der tapferen russischen Armee, gefallen in der Schlacht von Borodino, genannt an der Moskwa am 27. August - 7. September und während des denkwürdigen Feldzuges von 1812.“
Auch der große Bayreuther Dichter und Schriftsteller Jean Paul (Friedrich Richter), wurde mit einer Inschrift gewürdigt. Szenen seiner Werke spielen in der Fantaisie und verewigen sie dadurch.
Ein ungewöhnlicher Staffagebau ist die in den Hang gegrabene Nachbildung einer Katakombe, die an einen frühchristlichen Kultraum erinnern sollte. Sie ist eine in den Felsen gehauene Grotte und besteht aus drei Altären, auf denen antike Urnen standen. Die Inschrift „Diis manibus pia Dorothea“, was frei übersetzt heißt: „Die fromme Dorothea ergibt sich in die Hände des Schöpfers“, lässt vermuten, dass sie auf besonderen Wunsch der Herzogin von Württemberg gebaut wurde.
Die nach Südosten verlaufende Lindenallee mit der Vielzahl „Sprechender Steine“ endet auf einer Aussichtskanzel mit Blick auf eine offene Hangwiese.
Bereits um 1760 ließ die Markgrafentochter Friederike Sophie hier den Wald beseitigen und eine Wiese anlegen, um eine großartige Aussicht zu haben. Vermutlich war die Wiese früher größer und bis zum Talgrund reichend.
Diese Grünfläche existiert also nachweislich seit über 250 Jahren und wurde außer zur Beweidung und gelegentlicher Mahd nur extensiv genutzt und vor allem nicht gedüngt.
Diese Magerwiese oder, botanisch korrekt, dieser Magerrasen ist daher sehr artenreich, lückig und gestuft. Bedingt durch diese Struktur ist das floristische Artengefüge besonders reichhaltig. Lückig bedeutet in diesem Zusammenhang, dass durch die vorhandene Nährstoffarmut die Vegetationsdecke nicht geschlossen ist, sondern freie Flecken aufweist, die als offenes Keimbett für verschiedenste Pflanzenarten dienen können. Eine gestufte Wiese bietet bis zum Boden gute Lichtverhältnisse. Niedrigwüchsige Pflanzen (z. B. Kleearten und Schmetterlingsblütler) können gut gedeihen. Halbhohe Gräser und Stauden bilden das Gerüst der Wiese. Hohe Gräser (z. B. Trespenarten und Glatthafer) ragen darüber noch hinaus.
Diese Wiese bildet also ein differenziertes Gefüge, das nicht nur durch die günstigen Lichtverhältnisse bedingt ist. Durch die Hanglage ist sie im oberen Bereich eher trocken bis wechselfeucht. Nach unten hin nimmt die Bodenfeuchte zu, bis im untersten Bereich Arten der Feuchtwiesen ihr Auskommen finden.
Exemplarisch wird auf zwei Pflanzenarten hingewiesen:
Im oberen, trockenen bis wechselfeuchten Bereich der Hangwiese wächst neben zwei weiteren Orchideenarten Orchis morio, das Kleine Knabenkraut.
Es wird in der Roten Liste Bayerns in der Gefährdungskategorie 2 = stark gefährdet geführt. Die schnitt- und weideempfindliche Art verschwindet schnell bei Düngung. Sie gilt als Charakterart der subozeanischen Halbtrocken- oder Magerrasen. Der Name Knabenkraut leitet sich von den beiden Wurzelknollen ab, die in ihrer Form an männliche Hoden erinnern. Die seltene, niedrigwüchsige Orchidee mit ihren violetten Blüten ist eine der am frühesten blühenden Pflanzen unserer Wiesen.
Dem gegenüber steht Carex pulicaris, die Floh-Segge. Sie ist eine Charakterart der Pfeifengraswiesen und bevorzugt den wesentlich feuchteren Bereich in unterer Hanglage. Die sehr niedrig bleibende Art (ca. 10 cm) gehört zu den Sauergräsern und ist ebenfalls in der Roten Liste Bayerns in der Gefährdungskategorie 3 = gefährdet zu finden. Sie profitiert von der oben beschriebenen Lückigkeit der Wiese. Bei dichterem Bestandsschluss verschwindet sie bald.
Exkurs 3:
Wiesengesellschaften
Heute z. T. stark gefährdete Pflanzengesellschaften, die durch übermäßige Düngung und Jauchebehandlung oft bis zur Unkenntlichkeit nitrifiziert und entsprechen artenarm sind. Das daraufhin entstehende Übergewicht an Nährstoff liebenden Doldenblütlern (z. B. Anthriscus sylvestris, der Wiesenkerbel) schmälert den Futterwert. Gemeinhin wird dann darauf Lolium multiflorum (Lolium hybridum) eingesät, was zu sog. Grasäckern führt, die dann 5-6 Mal pro Jahr gemäht werden können.
Kurz vor ihrem Tod veranstaltete die Markgrafentochter Friederike Sophie 1779 zu Ehren eines hohen Gastes u. a. auf der Talwiese noch ein bemerkenswertes Fest. Darüber wurde damals ausführlich in der Bayreuther Zeitung in einer Art Hofberichterstattung geschrieben. Es war eine Art Verehrungsjournalismus (Müssel, 1999).
Dem so genannten „Schweizerfest“ dienten eine Viehherde, bestehend aus einer Schweizer Rinderrasse mit den dazugehörigen Hirten, den „Schweizern“, einer Vielzahl von ländlich herausgeputzten Kindern, die Spiele aufführten und Gedichte vortrugen, sowie Erwachsene, die typische, ländliche Tätigkeiten ausübten, als Staffage, die sentimentale Gefühle hervorrufen und ländliche Idylle darstellen sollten. Selbst Friederike Sophie war als Schweizerin (Hirtin) verkleidet.
Exkurs 4:
Arkadien - die idealisierte Landschaft.
Arkadien ist eine Fiktion, ein poetisches Traumland, das vom römischen Dichter Vergil um 40 v. Chr. in seinen Hirtengedichten verarbeitet wird. Aber diese Hirten waren nicht real, sondern Symbole der Sehnsucht nach einer friedvollen Welt.
Z. B. erwartet Vergil von der Geburt eines Knaben den Beginn einer seligen Zeit. Er nimmt so die christliche Heilslehre vorweg.
Er siedelte sein Hirtenepos in Arkadien an, einem Land das er nicht kannte und von dem er nur wusste, dass dort Hirten lebten. Es wurde verklärt als Welt des schönen Scheins, eine bukolische Phantasie, und hat mit der rauen, unwirtlichen Hochfläche von Arkadien auf dem griechischen Peloponnes nichts gemein.
In der Renaissance wurden Vergils bukolische Gedichte wieder an die Öffentlichkeit gerückt, nachdem die Kunst ihre dienende Rolle, die Religion zu stützen, verloren hatte und sich emanzipierte. Schäferspiele und Schäferliteratur, vornehmlich im Barock, arkadische Landschaften, verwirklicht im englischen Landschaftsgarten, bis hin zum großformatigen Bild über den Ehebetten unserer Eltern und Großeltern im 20. Jahrhundert, das Jesus als guten Hirten zeigt, gehen auf Vergils Arkadien zurück und beeinflussten die Kulturgeschichte des Abendlandes.
Alles kulminierte in der Sehnsucht nach Arkadien, ein Begriff, der sich seit der Renaissance mit ihrer Rückbesinnung auf die Antike durch die Kulturgeschichte des Abendlandes bis in die heutige Zeit zieht. Arkadien ist die fiktive Verortung einer idealisierten Landschaft mit ihrem Schäfer-, hier Schweizeridyll. Der Höhepunkt dieses Schäferidylls lag im Barock und Rokoko. Für höfische Kreise wurde in diesem Zusammenhang arkadischer Mummenschanz zum Gesellschaftsspiel. Man zelebrierte und genoss den unschuldig-naiven Naturzustand im bewussten Kontrast zur Morbidität der höfischen Gesellschaft.
Bei diesem Fest deuteten sich über das Rokoko hinausgehende Gartenströmungen an, die Gefühle ansprechen und Illusionen hervorrufen sollten.
Später wurden die arkadischen Landschaften, die paradiesische Zustände auf Erden suggerieren sollten, in der Gartenkunst zum Stilmittel des sentimentalen Landschaftsgartens.
Quellhorizonte der hier anstehenden unteren Juraschichten (schwarzer Jura = Lias, entstanden vor ca. 200 Millionen Jahren) lassen Bäche entstehen, die sich rasch in die weichen, lehmig-tonigen Schichten des Schwarzen Jura eingraben und Kerben im Gelände entstehen lassen. Erreichen diese Bäche die darunterliegende Rhätschicht, die den Übergang der Keuperzeit (230 – 200 Millionen Jahre vor jetzt) zur Jurazeit bildet, gibt es kein Halten mehr und es entstehen durch das Ausräumen weicher Schichten tiefe und wilde Schluchten. Als Härtlinge treten am Rand der nun entstandenen Rhätschlucht diejenigen Felsformationen zu Tage, die ihren Beitrag zur Modellierung des Landschaftsgartens der Fantaisie lieferten und die auch die Inschriften der so genannten „Sprechenden Steine“ tragen.
Exkurs 5
Arealkunde
Die räumliche Verbreitung der Pflanzenarten hängt im Wesentlichen von drei Parametern ab:
1. Zonalität: Die Erde wird in horizontale Zonen gegliedert Es beginnt im Norden mit der arktischen Zone, geht über die boreale Zone zur temperaten Zone, in der wir liegen. Nach Süden schließt sich die meridionale Zone (Mittelmeerraum) und weiter die tropische bis zur australen Florenzone an.
2. Ozeanität: Die räumliche Verbreitung der Pflanzen erfolgt nach ihrer Nähe/Ferne von den, das Klima ausgleichenden Meeren.
Präferieren Pflanzen ozeanisches Klima (milde Winter, ausreichend und gleich verteilte Niederschläge) oder gedeihen sie unter extremeren Bedingungen, im kontinentalen Klima (Entfernung vom Meer groß, kalte, strenge Winter, Sommertrockenheit)
3. Höhenstufenbindung
Sie beschreibt die Verbreitung der Pflanzen nach einer vertikalen Höhengliederung. Bevorzugen sie tiefere Lagen (planarer oder colliner Bereich) oder höhere Lagen (montaner, alpiner, nivaler Bereich).
Eine Kombination dieser Parameter fließt für jede Pflanze in eine Arealdiagnose ein, die ihre jeweilige Wuchsortpräferenz erkennen lässt.
Aus botanischer Sicht ist erwähnenswert, dass diese Schluchten auf Grund ihrer besonderen kleinklimatischen Situation, wie hohe Luftfeuchtigkeit und Kaltluftabflussrinnen der umgebenden Hochflächen, auch eine besondere Flora aufweisen. Hier wachsen in Tieflage isoliert von der Umgebung Pflanzen, deren Hauptverbreitung in höheren Lagen ab 600 m über Normalnull (montaner Florenbereich) liegt. Das Klima ist also kühler und auch feuchter, auch Schnee bleibt länger liegen. Circaea x intermedia (Mittleres Hexenkraut), Stellaria nemorum (Hain-Sternmiere), Prenanthes purpurea (Gewöhnlicher Hasenlattich) und Thalictrum aquilegifolium (Akeleiblättrige Wiesenraute) sind Vertreter dieser montanen Florenzone.
Diese Führung durch den Schlosspark Fantaisie war nicht monothematisch angelegt. Als Roter Faden zogen sich Garten und Park mit ihren verschiedenen Stilelementen durch die Führung, die entsprechend erklärt und vorgestellt wurden. Querverweise auf kunst- und kulturgeschichtliche Themen sollten die Führung lebendig gestalten. Landschaft prägende, geologische Prozesse sind ursächlich für die Gestaltung der Parklandschaft der Fantaisie. verantwortlich Dass sich in derartigen Anlagen oft auch eine reichhaltige, einheimische Pflanzenwelt einstellt, wurde durch die Ausflüge in die Botanik belegt.
Abschließend geht großer Dank an die hohe Aufmerksamkeit, mit der die Teilnehmer der Führung folgten. In der Hoffnung einiges an Wissen und Kenntnissen vermittelt zu haben, verabschiedet sich der Führer an dieser Stelle und wünscht noch einen angenehmen Aufenthalt, entweder beim Besuch des Deutschen Gartenbaumuseums oder in einem der umliegenden gastronomischen Betriebe oder einfach nur eine gute Heimfahrt.
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